Liebe Leser:innen,
heute tauchen wir in ein Thema ein, das immer mehr Aufmerksamkeit verdient: die Kombination von Hochbegabung, ADHS und Autismus. Jedes dieser Merkmale für sich genommen kann das Leben eines Kindes oder Jugendlichen auf besondere Weise prägen. Aber was passiert, wenn sie zusammentreffen? Welche Herausforderungen, aber auch welche Potenziale entstehen?
Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte, gibt praktische Beispiele aus der Kinder- und Jugendwelt und lädt dazu ein, unsere Perspektive auf diese Kinder zu erweitern.
Autismus und ADHS sind komplexe Begriffe.
Sie umfassen eine Vielzahl von Eigenschaften, die sich bei jedem Kind oder Jugendlichen unterschiedlich zeigen können. Es gibt nicht „den einen Autismus“ und nicht „die eine Form von ADHS“ – vielmehr sprechen wir von einem Spektrum, das von milden bis hin zu sehr ausgeprägten Formen reicht.
Einblicke in die Kinder- und Jugendwelt:
Autismus:
Ein neunjähriges Kind in der Grundschule kann etwa Schwierigkeiten haben, die sozialen Regeln auf dem Pausenhof zu verstehen. Es bleibt lieber für sich, beschäftigt sich intensiv mit seinem Lieblingsthema – z. B. Raumfahrt – und beeindruckt alle, indem es sämtliche NASA-Missionen samt Daten auswendig kennt. Gleichzeitig reagiert es sensibel auf laute Geräusche und meidet Aktivitäten in der Turnhalle, da der Lärm dort es überfordert.
ADHS:
Ein zwölfjähriger Schüler mit ADHS steht während des Unterrichts häufig auf, weil er Bewegung braucht, und platzt manchmal impulsiv mit Antworten heraus, ohne sich zu melden. Gleichzeitig zeigt er zu Hause eine unglaubliche Ausdauer, wenn er an einem Modellflugzeug bastelt, weil ihn das Thema begeistert.
Diese Kinder kämpfen oft mit den Erwartungen ihrer Umgebung. Ein Klassenzimmer mit 30 Kindern, ein hektischer Stundenplan und die vielen sozialen Regeln können schnell zu Überforderung führen. Hier liegt die Herausforderung: Die Verhaltensweisen dieser Kinder werden oft missverstanden, dabei sind sie nicht „ungezogen“ – sie reagieren schlicht auf ihre Umwelt, die nicht immer auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt ist.
Fazit: Autismus und ADHS sind keine „Schubladen“, sondern einzigartige Eigenschaften, die von äußeren Faktoren beeinflusst werden.
Die Überschneidungen mit Hochbegabung
Wenn Hochbegabung hinzukommt, wird die Kombination noch komplexer und spannender. Hochbegabte Kinder mit Autismus oder ADHS können außergewöhnliche Fähigkeiten entwickeln, die ihre Altersgenossen weit übertreffen. Gleichzeitig erleben sie die Welt intensiver, was sie anfälliger für Reizüberflutung und Stress macht.
Praktische Beispiele
Detailgenauigkeit bei Autismus: Ein hochbegabter autistischer Jugendlicher könnte mit 14 Jahren komplexe technische Geräte reparieren oder mathematische Formeln verstehen, die normalerweise erst in der Oberstufe gelehrt werden. Diese Begabung macht ihn einzigartig – gleichzeitig fühlt er sich im Gruppenunterricht oft fehl am Platz, weil er lieber allein arbeitet.
Kreativität bei ADHS: Ein Mädchen mit ADHS und Hochbegabung schreibt mit 10 Jahren bereits fantasievolle Geschichten, die selbst Erwachsene begeistern. Sie hat eine lebhafte Vorstellungskraft, kann diese jedoch nur schwer in den strengen Rahmen einer Klassenarbeit einpassen, da ihr die Zeitvorgaben Druck machen.
Die Herausforderung: Hochbegabung wird oft nicht erkannt, weil die Schwierigkeiten im Verhalten (z. B. Impulsivität, Rückzug oder Konzentrationsprobleme) im Vordergrund stehen. Deshalb wird das Potenzial dieser Kinder und Jugendlichen häufig unterschätzt.
Die Chance: Wenn ihre Stärken erkannt werden, können sie in einem unterstützenden Umfeld aufblühen. Das bedeutet: Strukturen, die ihre Talente fördern, und gleichzeitig die Flexibilität, auf ihre besonderen Bedürfnisse einzugehen.
Sind Autismus und ADHS wirklich Störungen?
Ein zentraler Punkt, der oft diskutiert wird, ist die Frage: Sind Autismus und ADHS wirklich „Störungen“? Oder sind sie vielmehr Ausdruck menschlicher Vielfalt?
Viele der Eigenschaften, die mit Autismus oder ADHS verbunden sind, treten auch bei Menschen ohne diese Diagnosen auf – nur in abgeschwächter Form. Es könnte also sein, dass unsere Gesellschaft nicht die Betroffenen „anpassen“ muss, sondern ihre Einzigartigkeit als Bereicherung anerkennen sollte.
Ein Denkanstoß:
Ein Junge mit ADHS, der sich im Sportunterricht nicht an die Regeln hält, könnte später als Trainer brillieren, weil er mit Leidenschaft motiviert und andere mitreißt.
Ein Mädchen mit autistischen Zügen, das Schwierigkeiten hat, Small Talk zu führen, könnte später im Bereich Forschung oder IT-Großes leisten, weil sie analytisch denkt und gerne in der Tiefe arbeitet.
Wie Eltern und Pädagogen:innen unterstützen können
Für Eltern, Lehrer:innen und Betreuer:innen von Kindern und Jugendlichen mit Hochbegabung, Autismus oder ADHS ist es wichtig, folgende Ansätze zu berücksichtigen:
Stärken erkennen und fördern: Statt auf Schwächen zu fokussieren, sollten die besonderen Talente des Kindes hervorgehoben werden.
Beispiel: Ein Kind mit ADHS könnte in einer Bewegungspause während des Unterrichts seine Energie loswerden, bevor es sich wieder konzentrieren muss.
Individuelle Ansätze entwickeln: Jedes Kind ist anders – ein individueller Plan kann helfen, die Herausforderungen zu bewältigen.
Beispiel: Ein autistisches Kind könnte durch visuelle Zeitpläne oder klare Routinen besser in den Alltag integriert werden.
Empathie zeigen: Kinder mit Hochbegabung, Autismus und ADHS erleben die Welt anders. Sie brauchen Menschen, die sie verstehen, anstatt sie zu bewerten.
Zum Nachdenken
Zum Abschluss möchten wir Dich mit dieser Frage zurücklassen:
Können wir „Normalität“ nicht breiter definieren und mehr Raum für Vielfalt schaffen?
Wir alle können dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche mit besonderen Eigenschaften sich verstanden und geschätzt fühlen.
Denn eines ist klar: Sie bereichern unsere Welt mit ihrer Kreativität, ihrem Einfallsreichtum und ihrer Einzigartigkeit.
Wir hoffen, dass Dir dieser Artikel Denkanstöße geben konnte.
Herzliche Grüße,
Bernd
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